Wir befinden uns im Zeitalter der Kundenzentrierung, auch Age of the Customer genannt. Dieser Begriff beschreibt, wie sich die Informationsmacht der Unternehmen zugunsten der Kunden verschoben hat.

Kunden – oder Nutzer, die zu potenziellen Kunden werden können – haben unmittelbaren Zugang zu einer schier unendlichen Menge an Informationen, unabhängig von deren Standort. Zudem können sie sich die Quelle der Informationen aussuchen.

Daraus haben sich fundamentale Veränderungen in der Recherche und Nutzung von Informationen ergeben. Davon sind drei Punkte im Hinblick für die eigene Content-Strategie in meinen Augen besonders wichtig:

  1. Nutzer reagieren auf „Micro-Moments“, also Momente, die aus einem konkreten Bedürfnis heraus entstehen. Zudem hat sich das Nutzungsverhalten von Lesern im Internet verändert, was Auswirkungen auf das operative Content-Marketing hat.
  2. Es gibt immer mehr Inhalte, aber es gibt keinen Content-Schock. Nutzer selektieren Informationen nach ihren eigenen Bedürfnissen und steuern dabei bereits bekannte Informationsquellen an. Leidtragende sind die Content-Publisher.
  3. Für langfristiges und erfolgreiches Content-Marketing ist eine dokumentierte Content-Strategie wichtig, reicht alleine aber nicht aus. Vielmehr ergeben sich aus dieser Strategie notwendige Veränderungen im Unternehmen, die sich unter dem Oberbegriff „Customer-Centricity“ zusammenfassen lassen.

Im Folgenden gehe ich auf die drei Punkte genauer ein, um den Begriff Age of the Customer näher zu beschreiben.

Age of the Customer: Micro-Moments als Schlüsselmomente

Mann sitzt und schaut auf sein Handy.

Age of the Customer: Smartphones ermöglichen Nutzer unmittelbaren Zugang zu Informationen, wann immer sie das Bedürfnis dazu haben. Diese Bedürfnisse wurde von Google auch „Micro-Moments“ genannt. / Quelle: unsplash.com/@katerss

Google hat den Begriff Micro-Moments geprägt und es mit bestimmten Bedürfnissen verbunden. Dabei unterscheidet Google unter anderem unter diesen vier Micro-Moments :

  1. I-want-to-know-moments
  2. I-want-to-go-moments
  3. I-want-to-do-moments
  4. I-want-to-buy-moments

Neben dieser sehr groben Unterteilung gibt es noch viele weitere Micro-Moments, die Google in diesem Artikel vorstellt.

Micro-Moments bestimmen die Content-Journey Ihrer Nutzer

Die Customer Journey Ihrer Kunden beginnt oft mit einer autarken Recherchephase, auf die Unternehmen mit Hilfe Ihrer Inhalte aktiv Einfluss nehmen können.

Die Bedürfnisse Ihrer Kunden spiegeln sich in deren sogenannten Content-Journey (auch Customer-Journey oder Buyers-Journey genannt) wieder, da jeder Micro-Moment mit einem konkreten Informationsbedürfnis verknüpft ist.

Im Age of the Customer wird der Nutzer nun eigenständig auf die Suche nach diesen Informationen sein, sprich: Er oder sie haben einen konkreten Informationsbedarf und recherchieren dann autark über ihre bevorzugten Kanäle und Plattformen nach geeigneten Informationsanbietern.

Diese Recherchephase wird – auch ein von Google geprägter Begriff – „Zero Moment of Truth“ genannt. In der Regel sind Unternehmen in dieser Such-Phase nahezu blind was die Bedürfnisse Ihrer Kunden und Nutzer angeht und über welche Kanäle diese sich Informationen suchen. Unternehmen können lediglich auf bestehende Erfahrungswerte bauen.

Die Herausforderung besteht nun zum einen darin, diese Phase besser zu verstehen und zum anderen, für die autarke Suche, basierend auf diesem Verständnis der Content-Journey, passende Inhalte zur Verfügung zu stellen.

Der Content-Schock betrifft die Unternehmen, nicht die Nutzer

Content muss durch Kunden erfahren werden. Dazu müssen Unternehmen Vertrauen durch Reputation aufbauen.

Wir Menschen sind nur begrenzt in der Lage, Inhalte aufzunehmen. Ist diese Grenze erreicht, beginnen wir Informationen nach persönlichen Vorlieben zu selektieren und zu gewichten.

Zugleich spielt bei der Auswahl der Inhalt die Quelle eine wichtige Rolle. Wie bei einem Besuch im Kino wissen wir erst nach dem Film, ob er gut war oder nicht. Natürlich kann man sich Reviews ansehen, aber auch hier gilt das gleiche Prinzip: Ich muss meiner Informationsquelle vertrauen.

Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der eines der stärksten Argumente für Content-Marketing ist. Die Nutzer müssen der Quelle vertrauen und sie im „Top of Mind“ haben. Sonst wird der Content nicht wahrgenommen.

Handy in der Hand und PokemonGo auf dem Bildschirm.

Nintendo hat mit PokemonGo maximale Aufmerksamkeit auf seine Marke gelenkt. Nicht nur ist es die App, die 2016 am meisten heruntergeladen wurde, sondern führte auch zu einem massiven Kursanstieg der Nintendo-Aktie. / Quelle: unsplash.com/@davidgrdm

Das bedeutet im Umkehrschluss für die Unternehmen, die im Age of the Customer bestehen wollen, dass sie sich eine Reputation aufbauen müssen.

Das wiederum erfordert

  • Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden (Micro-Moments),
  • Mindeststandards bei der Content-Produktion (Content-Qualität),
  • Konsistenz bei der Content-Distribution (Regelmäßige Verfügbarkeit und Aktualität der Inhalte),
  • umfassendes Kundenverständnis (fundierte CRM-Analyse),
  • Abkehr von hierarchischen Organisationstrukturen (Creative Leadership),
  • sowie – Geduld und Mut.

Geduld, weil wir Vertrauen nicht mit Geld kaufen können. Vertrauen wächst. Wir können mit finanziellen Mitteln die Reichweite unserer Inhalte vergrößern, aber das Vertrauen bauen wir über die Qualität der Inhalte und deren Relevanz für unsere Leser auf.

Mut, weil die bisher oben genannten Schritte zwar nicht unmittelbare, aber doch langfristige und tiefgreifende Veränderungen im Unternehmen nach sich ziehen können.

Content-Marketing führt zu Change-Management

Es finden Veränderungen im Unternehmen statt. Diese kann man passiv wuchern oder aktiv wachsen lassen.

„Change-Management“ ist ein großer Begriff, aber er ist in diesem Kontext angemessen. Es gibt immer noch viele, die Content-Marketing lediglich als eine Technik sehen.

Das ist im Prinzip richtig, wenn man an die derzeitige Einordnung der Begrifflichkeit festhält, nämlich dem Marketing mit redaktionellen Inhalten für eine relevante Zielgruppe.

Die Definitionsfrage klammere ich hier einmal aus (diese habe ich an anderer Stelle ausführlich beschrieben). Aber in meinem Grundverständnis ist Content-Marketing eine Technik, welche jedoch einen viel wichtigeren Ansatz, der „Customer Centricity“, unterstützt.

Der Satz darf etwas nachklingen. Content-Marketing ist das Mittel, um den Zweck, die komplette Zentrierung eines Unternehmens auf seine Kunden mit all den zur Verfügung stehenden Maßnahmen, zu erfüllen.

Aus diesem Verständnis heraus ist Content-Marketing auch als Einstieg für weitreichendere Veränderungen im Unternehmen zu sehen.

Berücksichtigen wir die oben genannten Punkte, bedarf es Strukturen und Prozesse innerhalb des Unternehmens, die sicherstellen, die eine Kundenzentrierung überhaupt erst ermöglicht.

Dies alles sind Maßnahmen, die weit über die bisherigen Veränderungen im Marketing hinausgehen und vor allem andere Unternehmensbereiche berühren.

Was können Unternehmen tun?

Fundierte Datenanalyse, agiles Management und neue Führungsmodelle. Das braucht Zeit.

All diese Veränderungen passieren nicht über Nacht und von alleine, sondern müssen initiiert und koordiniert werden. Vor allem müssen Veränderungen von der Geschäftsführung und den Mitarbeitern getragen und später umgesetzt werden, um im Age of the Customer langfristig bestehen zu können.

In Datenanalyse investieren

Daten schaffen Transparenz, Transparenz schafft Vertrauen. Unternehmen sollten deshalb in die Datenanalyse investieren. Während die Eintrittsbarrieren für Technologien weiter sinken, steigt der Bedarf an Fachkräften, die in der Lage sind, diese Tools nutzen und große Datenmengen auswerten zu können.

Unternehmen sollten also Geld in die Hand nehmen, um sich selber zu befähigen, Entscheidungen aufgrund von Daten, anstatt auf Annahmen treffen zu können.

Agilität ins Unternehmen einführen

Agilität bedeutet nicht, alles schneller als vorher machen zu können. Das ist lediglich ein (zugegeben, sehr angenehmer) Nebeneffekt. Agilität bedeutet Kundenzentrierung, beispielsweise bei der Entwicklung von neuen Content-Formaten.

Agile Teams schauen ganz genau auf dem Markt, treffen erste Annahmen, fangen an zu produzieren und veröffentlichen sehr früh erste Ergebnisse, die wiederum auf dem Markt getestet werden. Funktioniert es, werden weitere Ressourcen investiert, wenn nicht, wird ein anderer Ansatz getestet.

Das führt dazu, das zum einen Produkte und Dienstleistungen (in diesem Beispiel Content-Formate) eng an die Bedürfnisse und Interessen des Marketing ausgerichtet, zum anderen, dass durch die enge Verbindung zum Kunden Vertrauen und Reputation aufgebaut werden.

Neue Leadership-Modelle

Derzeit gibt es noch sehr viele Unternehmen, die hierarchisch organisiert sind. Diese Unternehmen sind auch erfolgreich. Die Notwendigkeit eines Wechsels des Management-Stils ist dort (noch) nicht zu spüren.

Wer aber Agilität ins Unternehmen einführt, muss seine Mitarbeiter auch dazu befähigen, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen.

Vor allem solche Entscheidungen, die das Interesse der Kunden in den Vordergrund stellt. Das erfordert eine offene Unternehmenskultur, in der man angstfrei konstruktive Kritik äußern kann, die gleichzeitig auch erst genommen wird.

Age of the Customer: Fazit

Mann mit Bart steht am Strand und schaut auf sein Handy.

Age of the Customer: Nutzer haben dank des technischen Fortschritts jederzeit und überall unmittelbaren Zugang zu Informationen. / Quelle: unsplash.com/@jlesly

Age of the Customer beschreibt eine Verschiebung der Informationsmacht, weg vom Unternehmen, hin zum Kunden.

Unternehmen können auf diese Veränderung reagieren, indem Sie sich anpassen und sich mehr auf den Kunden zentrieren.

Diese Customer-Centricity kann weitreichende Auswirkungen haben, zum einen auf das Marketing, aber vor allem auf Strukturen und Prozesse innerhalb des Unternehmens.

Durch Datenanalyse, Agilität,neuen Management-Methoden und neue Firmenkultur kann dieser Veränderungswelle Rechnung getragen werden.

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Posted by Babak Zand

Ich helfe Unternehmen durch agiles Marketing, eine dokumentierte, nutzerorientierte Content-Strategie für deren digitale Kommunikation zu entwickeln.